Ein Politiker trifft den richtigen Ton

Singender Söder

Kaum etwas wird ja so intensiv diskutiert, wie die Frage: Wie kann man sich als Abgeordneter oder Ministerin unterscheiden und sich Öffentlichkeit verschaffen? Ich antworte dann immer weise, klug und honorarfrei: Es kommt darauf an!

Keine Ministerin, keine Strategie ist wie die andere. Kein Umfeld, kein Ziel ist wie das andere. Und kopieren geht schon gar nicht. Es gibt, auch wenn wir es gerne hätten, kein Ideal-Rezept für die Positionierung eines Politikers in der medialen Öffentlichkeit, auch wenn manche Seminare das gerne versprechen.

Das beste Beispiel für meine These: Söders Auftritt bei Ina Müller. Ich höre schon die aufgeregten Fragen: Muss mein Minister jetzt auch singen? Ist das der neue Trend? Müssen wir da schnell mitmachen? Bis gestern galt: politisch Haltung zeigen und jungen Menschen Purpose vermitteln. Ab jetzt heißt die Devise: Mehr Mary Ann. Oder?

Meine Antwort lautet – wer hätte es gedacht – weise, klug und honorarfrei: Es kommt drauf an.

Er kann es

Erstens: Söder kann offenbar singen. Das muss ihm so erstmal einer nachmachen. Eine Lachnummer wie ihrerzeit bei Andrea Langstrumpf-Nahles sollte es nicht werden, wenn ich meine Chefin und meinen Chef jetzt auf irgendeine Bühne schicke.

Söder hat sich dazu ein Image aufgebaut, das vor allem auf Robustheit einzahlt. Er kann sich eigentlich fast alles erlauben. Er kann jeden Tag seine Meinung wechseln. Egal. Er könnte mehr Großmütter verkaufen, als man selbst in fränkischen Protestanten-Familien durch Herumheiraten zusammenpatchworken kann. Auch das: egal!

Was auch immer er sich erlaubt: „Er ist halt so“, sagen die Söderianer. Die Grünen sind ihm sowieso egal. Und die wankelmütigen Wechselwähler? Schauen wir uns die mal genauer an.

Mit diesem Gedanken wird Söders Gesang plötzlich strategisch. Was hat denn der gemeine Wechselwähler, um sich seelisch zu laben? Den unterkühlten Scholz? Den Porsche-Lindner? Wenn dann der Merz ganz plötzlich anfängt, auf dem CDU-Parteitag zu tanzen wie ein Sauerländer Klappspaten, dann sagt sich der Maggus in München: Das kann ich besser!

Er darf es

Söder hat einfach nichts zu verlieren. Das muss man als strategische Ausgangsbasis für Positionierung erst mal schaffen. Also kann er auch bei Ina Müller einen Küstennebel trinken und dem guten Freddy Quinn zu ein paar GEMA-Cents verhelfen.

Söders Strategie: Wo andere sich weichspülen lassen, setzt er auf Ecke und Kante. Wo andere sich fernsteuern lassen, steuert er selbst. Wo alle glauben, allen gefallen zu müssen, gefällt ihm die Idee, zu provozieren.

Merke: Die entscheidende Frage in der Positionierungs-Arbeit ist die Frage, mit der unser oller Cicero schon die Gerichtsrede von den Füssen auf den Kopf gestellt hat: Cui bono! Wem nützt es? Und wenn es dem Absender mehr nützt als schadet: Machen! Im Falle Söders: Singen!

Und jetzt alle zusammen: „Mit vierzehn Jahren fing er als Schiffsjunge an…“