Wer kommunizieren will, muss Pausen machen

Kolumne

In den letzten Jahren hat sich das Thema mentale Gesundheit in der öffentlichen Debatte fest etabliert. Schlagworte wie „Work-Life-Balance“ sind in aller Munde, Apps zur Förderung des mentalen Wohlbefindens schießen wie Pilze aus dem Boden und selbst in klassischen Karriereratgebern findet man heute Hinweise darauf, wie wichtig es ist, auf die eigene mentale Gesundheit zu achten. Es scheint, als hätten wir es endlich verstanden: Stress, Erschöpfung und Burnout sind keine Auszeichnungen für harte Arbeit, sondern ernstzunehmende Warnsignale. Pausen werden als Gegenpol zur Arbeit gesehen, Life als Gegenteil von Work – als notwendige Auszeit, um sich nicht im Job zu verlieren. Das klingt zunächst sehr sinnvoll. Wo liegt also das Problem?

Für diejenigen, die in ihrer Arbeit aufgehen, funktioniert dieses Narrativ nicht. Selbstfürsorge wird als notwendiges Übel betrachtet, das im Widerspruch zur persönlichen Erfüllung durch berufliche Herausforderungen steht. Und wenn es nun darauf ankommt, wird die Arbeit priorisiert. Für diesen Typ Mensch muss also eine Alternative her: Mentale Gesundheit darf nicht als Widerspruch zum beruflichen Erfolg gesehen, sondern muss als Grundlage für Spitzenleistungen verstanden werden.

Zu denjenigen, die in ihrer Arbeit aufgehen

Der Transparenz halber: Ich zähle mich selbst zu diesem „Typ Mensch“. Mir reicht kein Sehr gut, ich will das Exzellent. Ich will für meinen Job brennen, ich will die Extrameile gehen und in meiner Arbeit Erfüllung finden. Mit dieser Einstellung bin ich weder alleine noch in der falschen Branche. Schließlich fordert die politische Kommunikation ein, immer up to date, kurzfristig erreichbar und in wenigen Sekunden sendefähig zu sein. Es ist nahezu egal, in welchem Bereich man tätig ist. Ob im parlamentarischen Rahmen, in Agenturen, Beratungen, Verbänden, Parteien oder Unternehmen – die Spannung ist spürbar, der Druck aber auch.

Dass die mentale Gesundheit häufiger auf der Strecke bleibt, ist kein Geheimnis. Oft stellen wir unsere eigenen Bedürfnisse hintenan, in der Annahme, dadurch leistungsfähiger zu werden. Es ist nicht unüblich, dass Pausen übersprungen, Mahlzeiten durch hektisches Snacken ersetzt und Schlafzeiten zugunsten kurzfristiger Anfragen gekürzt werden. Die Vorstellung, rund um die Uhr Spitzenleistungen erbringen zu müssen (oder auch: zu können), führt zu einer permanenten Anspannung, die kaum Raum für Erholung lässt.

Mittlerweile sprechen wir häufiger darüber, welche Risiken eine solche Arbeitskultur mit sich bringt. Erschöpfung, Konzentrationsschwäche und ein kontinuierlich steigendes Stresslevel sind die Folgen, die nicht nur die individuelle Leistungsfähigkeit, sondern auch die Arbeitsqualität langfristig mindern können. Dass das nicht gesund sein kann, dass wir mehr auf uns achten und uns Ruhezeiten einräumen müssen – das würden die meisten von uns sofort unterschreiben. Aber jetzt mal Hand aufs Herz: Wer hält sich wirklich daran?

Mentale Gesundheit als Grundbedingung für Exzellenz

Ich denke, dass genau hier das Problem liegt. Denn es ist nicht so, als würden wir in einer Zeit leben, in der die Relevanz mentaler Gesundheit nicht ausreichend behandelt wird. Aber: Es fehlt die zielgruppengerechte Ansprache. Das Framing funktioniert nicht. Statt darüber zu sprechen, warum Ruhezeiten wichtig sein könnten, müssen wir klarmachen, warum sie unverzichtbar sind. Selbstfürsorge darf kein „Nice-to-have“ sein, sondern ist der Schlüssel zu nachhaltiger Leistungsfähigkeit. In unserer Branche sind diejenigen langfristig erfolgreich, die bewusst Pausen und Erholung in ihren Alltag integrieren – nicht als Zugeständnis, sondern als festes Element ihrer Strategie. Für sie sind diese Zeiten der Ruhe kein Widerspruch zu harter Arbeit, sondern der Moment, in dem sie Energie tanken, klarer denken und ihre besten Entscheidungen treffen können.

Ein Beispiel: Kreative Köpfe, die die Fähigkeit haben, regelmäßig aus der täglichen Hektik auszubrechen, berichten oft davon, dass ihre besten Ideen nicht dann kommen, wenn sie stundenlang an einem Problem festbeißen, sondern in Momenten der Entspannung. Mentale Gesundheit und Selbstfürsorge sind also nicht nur notwendig, um dem Stress entgegenzuwirken – sie schaffen den Raum, in dem echte Exzellenz und Innovation entstehen können. Genau das muss das neue Framing sein: Ruhezeiten sind keine Gegensätze zur Arbeit, sondern integraler Bestandteil eines Habitus, der Spitzenleistungen ermöglicht.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Selbstfürsorge ist kein Mittel zur Leistungssteigerung, sondern ein wesentlicher Bestandteil eines Lebens, in dem Beruf und Wohlbefinden Hand in Hand gehen. Für diejenigen von uns, die in ihrer Arbeit aufgehen, dürfen Pausen und Erholung keinen Widerspruch darstellen, sondern müssen die Grundlage dafür bilden, die Arbeit langfristig mit Leidenschaft und Klarheit zu erfüllen. Diese Haltung müssen wir vor allem als politische Kommunikatoren in einem Tätigkeitsfeld verinnerlichen, das uns dauerhaft so viel abverlangt.

Es ist noch ein langer Weg

Dieser Ansatz soll keineswegs die Gefahren einer toxischen Arbeitskultur oder gar mentaler Erkrankungen relativieren. Ein neues Framing allein ist kein Allheilmittel. Und es gibt Momente, in denen auch das beste Verständnis von Selbstfürsorge nicht mehr ausreicht. Wenn jemand seine persönliche Belastungsgrenze überschreitet, hilft kein Reframing – dann ist es Zeit für professionelle psychologische Unterstützung.

Wenn wir jedoch verhindern wollen, dass Menschen ausbrennen, müssen wir die Diskussion um mentale Gesundheit weiter fassen und zugänglicher machen. Sie muss auch diejenigen erreichen, die ihre Arbeit leidenschaftlich gerne machen und bereit sind, dafür viel zu geben – auch wenn sie genau diese Hingabe an die eigenen Grenzen führt. Mentale Gesundheit darf für sie kein Widerspruch, sondern muss eine Voraussetzung für nachhaltigen Erfolg sein.

Selbstfürsorge ist keine Pause vom Erfolg, sondern der Schlüssel, um langfristig mit Freude und Erfüllung arbeiten zu können. Es geht nicht darum, durch Pausen mehr zu leisten, sondern darum, ein Gleichgewicht zu schaffen, das Burnout verhindert und die Leidenschaft für politische Kommunikation bewahrt.

Ob junge Nachwuchstalente oder erfahrene Führungskräfte – dieses Thema betrifft uns alle. Fortschritte haben wir sicherlich bereits gemacht, aber der Weg ist noch lang. Vielleicht ist dieser Impuls ein kleiner Schritt in die richtige Richtung – hin zu einem Arbeitsverständnis, in dem Selbstfürsorge und Exzellenz Hand in Hand gehen.